Kritik: Royal Republic live im Palladium Köln

Überraschend gut gefüllt war das Kölner Palladium am vergangenen Samstag (26. November 2016) als dort Royal Republic ihr einziges NRW-Konzert auf der aktuellen Tour spielten. Die alte Industriehalle ist immerhin die zweitgrößte Konzerthalle in der rheinischen Millionenstadt. Trotz frühem Einlass strömten noch lange zahlreiche Besucher durch die Eingangstüren, bis um Punkt 20 Uhr der erste Support in Form der Band Dinosaur Pile-Up die Bühne betrat.

Die drei Briten spielen leicht punkig angehauchten Alternative Rock und konnten über 30 Minuten mit reichlich Bühnenenergie überzeugen. Auch wenn die Texte teilweise aus etwas arg wenig verschiedenen Wörtern bestehen, eine gute, sehenswerte Wahl für einen Opening Act.

Etwas verwundert hat mich dagegen die Platzierung des aus Amsterdam stammenden Singer/Songwriters Tim Vantol, der ganz alleine mit seiner Gitarre direkt vor dem Auftritt der Headliner des Abends, die nicht gerade kleine Bühne bespielte. Doch trotz des insgesamt weniger den Körper durchdringenden Sounds hatte der sympathische Mann schnell einen Großteil des Publikums auf seiner Seite und konnte neben Applaus für ein Pro-Asyl-Statement, nach einigen Versuchen sogar dazu animieren ein paar nicht gerade schnell zu merkende Zeilen eines Songs mitzusingen.

Anschließend verging trotz nicht nötigem Umbau einige Zeit bis Royal Republic erst etwa viertel vor zehn mit dem sofort den Körper in Bewegung versetzenden „When I See You Dance With Another“ die Bühne enterten.

Royal Republic Palladium Köln (C) Yannik Kaisowski

Nach zahlreichen Support-Slots bei großen Rockbands wie den Toten Hosen, sowie Auftritten bei gefühlt jedem Festival in Deutschland, war dies tatsächlich ihr bisher größtes eigenes Konzert. Während der recht ausgiebigen Ansagen erzählte Sänger Adam Grahn davon, wie die Band in den letzten Jahren zahlreiche kleinere Kölner Venues bespielt hat und die Auftritte in der Stadt immer etwas ganz besonderes für sie sind.

Bei „Weekend-Man“ wurde der entsprechende Herr auf der Bühne beschworen und die als Markenzeichen und Bühnendeko dienenden Lichblitze aktiviert. Ansonsten war die Bühne nur mit einem Backdrop und einem Standard-Licht Setup ausgestattet.

Doch die mitreißenden, oft überraschend eingängigen Songs der im kommenden Jahr 10-jähriges Bestehen feiernden Band kamen dennoch nicht zu kurz. Vor der Bühne wurde vom relativ jungen, aber sehr bunt durchmischten Publikum, reichlich getanzt und abgerockt. Einige versuchten sich sogar im Crowdsurfing.

Die Kölner machten ihrem Ruf als feierndes Völkchen alle Ehre und so wurde „Geburtstagskind“ Jonas Almén (Bass) weit mehr als ein Ständchen gesungen. Besonders das vom Sound durchaus an Kölsche Rock-Karnevalssongs erinnernde „Everybody Wants To Be An Astronaut“, der etwas naive frühe Hit „Underwear“ und andere etwas mehr nach vorne preschende Songs wie „People Say That I’m Over The Top“ sorgten für viel Bewegung und schweißdurchnässte Shirts.

Doch auch die etwas poppigeren, entspannteren Titel wie „Any Given Sunday“ oder „Follow The Sun“ von der aktuellen Platte ließen eine gute Stimmung zu keinem Zeitpunkt fehlen.

Zum Ende der Show durfte eine Junge Dame aus dem Publikum sogar mit Unterstützung von Frontmann Grahn ein wenig Gitarre spielen und ihn anschließend sogar schnell auf die Wange küssen.

Die Herren sind nichtmals echte Rampensäue, aber das feierlaunige Publikum schien das auch gar nicht zu brauchen um „Royal Republic“-Sprechchöre zu starten oder sich ohne langes Zögern hinzusetzen. Dadurch schlich sich zu keinem Zeitpunkt ein gezwungenes Entertainment-Gefühl ein. Sehr sympathisch!

Nach dem über 90-minütigen Set stand um kurz nach elf für mich jedenfalls fest, dass Royal Republic besonders durch ihre nicht experimentierfreudigen, aber wirklich mitreißenden Live-Auftritte noch lange nicht am Höhepunkt ihrer Karriere angekommen sind.

Reinhören: Forever Still – Tied Down

Eine Zeit lang gab es eine regelrechte Welle an Rock/Metal-Bands mit weiblichem Gesang und Gothic-Ausrichtung. Auf die Chartspitze trieben es vor allem Evanescence, deren „Bring Me To Life“ noch heute im Mainstream-Radio gespielt wird. Aber auch beispielweise die ebenfalls amerikanischen Bands Flyleaf und Halestorm konnten sich etablieren und mit der Zeit einige Fans sammeln. Doch ein dauerhafter Erfolg im wirklich großen Pop-Maßstab war keiner der Bands vergönnt, trotz einer ordentlichen Schaufel Eingängigkeit.

Nun gibt es seit langem mal wieder eine Band die in eine ähnliche Kerbe einschlägt und mit einem sehr gelungenen Debütalbum überrascht. Dabei handelt es sich wiedermal um eine Truppe Skandinavier, von wo in den letzten 10 Jahren zahllose Bands das Rock- und Metal-Genre teilweise mit sehr hochwertiger Musik bedient haben.

Forever Still nennt sich die 2013 gegründete Band die bereits bei Nuclear Blast unter Vertrag ist. Auf „Tied Down“ finden sich nun 10 Songs die in ihrer Essenz alle Rockmusik sind. Auffallend ist vor allem der immer vorhandene Pop-Appeal, der einigen verkopften Hörern sicherlich sauer aufstoßen dürfte. Aber es handelt sich hier keineswegs um seichten Pop, denn alle Songs bieten genug Energie um sich vor der Belanglosigkeit zu schützen. Auch Sängerin Maja Shining ist hier nicht, wie in einigen anderen Fällen, nur hübsches Beiwerk, sondern kann sowohl mit glasklarem, angenehm unaufdringlichem Gesang als auch sehr überraschenden Screams überzeugen.

Besonders aber die sich schnell im Kopf festsetzenden Hooks und die vielseitig geschriebenen Songideen, die sich dem Genre entsprechend textlich mit dunklen, weniger schönen Themen auseinandersetzen, machen die Qualität der Däne_innen aus.

Mit dem Opener „Scars“ wird erstmal eine nach vorne preschende Nummer rausgehauen, die klarmacht, dass es sich hier um mehr als nur „Rumgeheule“ handelt. Aber auch die wirklich schön traurige Single „Save Me“ zeigt auf welchem gutem Niveau man sich hier befindet. Abwechslungsreiche Songs wie „Your Light“ oder „Awake The Fire“ machen das Album wirklich zu einer Genre-Perle.

Fans von obengenannten Bands sollten hier unbedingt reinhören, damit sie nicht ein solch frische, vielversprechende Band verpassen.

Skies Fell veröffentlichen Debütalbum

Skies Fell, eine schottische Band, die ich schon seit einigen Jahren im Blick habe, hat nun endlich ihr Debütalbum veröffentlicht. Der atmospährische, entspannte Alternative Pop/Rock der Band lässt sich in Form von „Skies Fell“ ab sofort über Bandcamp downloaden oder dort auch als Vinyl bestellen.

Kritik: Katzenjammer – Rockland – Fünfeinhalb Jahre mit Katzenjammer

Die Kritik zum Album findet sich weiter unten…

Ich kann es selbst kaum fassen, wie lange es doch tatsächlich her ist, dass ich Katzenjammer zum allerersten Mal gehört habe. Im Sommer 2009 bin ich durch die Links zu kostenlosen, legalen mp3-Downloads auf der Seite tonspion.de gestöbert (ja, an sowas wie Spotify hat hier tatsächlich da noch niemand wirklich gedacht).

Die Beschreibung zum Titel „A Bar In Amsterdam“ hat mich jedenfalls so angefixt, dass ich mir diese Vorab-Single heruntergeladen habe. Von diesem Zeitpunkt an, beginnt eine der größten Leidenschaften für eine Band in meiner musikalischen Interessen-Laufbahn. Seitdem habe ich „A Bar In Amsterdam“ bestimmt über 100 Mal gehört und bin es immer noch nicht leid geworden.
Auch viele meiner ersten, noch sehr von jugendliche Ungeübtheit geprägten Artikel in meinem Musikblog waren von Euphorie über diese tolle, neue Band geprägt (Anspieltipp (1) aus  Juli 2009).

Über die vergangenen fünfeinhalb Jahre ist die norwegeische All-Girl-Band nicht mehr wirklich von meiner Seite gewichen. Das Debüt „Le Pop“ hat mich nicht mehr losgelassen und am 25.10.2009 war ich auf meinem allerersten Katzenjammer-Konzert im Düsseldorfer zakk. Dieses wurde damals noch kurzfristig vom wirklich kleinen „Club“ in die „Halle“ verlegt. Von da an ist die Erfolgskurve der Multiinstrumentalistinnen nur noch nach oben gestiegen.

Der Höhepunkt der bisherigen Karriere war mit Sicherheit das bisher am besten besuchte Headliner-Konzert am Tanzbrunnen in Köln am 23.06.12 mit unfassbaren fast 8000 Zuschauern (trotz DFB-EM-Spiel). Zuvor gab es bereits Auftritte im Sat.1 Frühstücksfernsehen und massig Promotion, dank neuem Major-Label-Vertrag bei Vertigo in Deutschland.

Dieses Konzert war quasi das Ende meiner „bedingungslosen Liebe“ zu dieser Band. Mit Airplay im Mainstream-Radio eröffnet sich die absolut mitreißende und einzigartige Musik schließlich auch ganz neuen Publikumsfeldern. Der Erfolg ist und war ihnen absolut zu gönnen und hart erarbeitet. Aber als Fan der früheren Stunden, musste man damit auch einen Verlust der ausgelassenen Stimmung im Publikum vernehmen. Waren die früheren Konzerte, selbst dann etwas später in größeren Clubs, immer noch wirklich spaßig, war das Live-Erlebnis hier nicht mehr so begeisternd.

Katzenjammer - Rockland - CoverHier schließt sich auch der Kreis zum inzwischen dritten Studioalbum „Rockland„, welches kürzlich erschienen ist. Eine Band entwickelt sich meistens weiter, mal in positive, mal in negative Richtung. Katzenjammer machen immer noch tolle Musik mit einigen markanten Markenzeichen, aber die wilde, folkige, rockige Ästhetik ist weitgehend verschwunden.

So viel versprechend der Albumtitel auch ist, mit (Folk-)Rock haben die Songs nicht mehr viel zu tun. Bereits die Single „Lady Grey“ schlängelt sich zwar mittelzügig in die Gehörgänge, um sie nicht mehr zu verlassen, kommt aber gleichzeitig auch mit einer ordentlichen Portion 0815-Pop daher. Was in einzelner Ausführung noch nicht einmal weiter schlimm wäre, setzt sich jedoch weiter fort. Der Opener „Old De Spain“ ist einfach nur eine Country-Pop-Nummer mit minimalem Katzenjammer-Anstrich. „Curvaceous Needs“ führt diesen Faden fort.

„Oh My God“ ist eine der kleinen Überraschungen auf der Scheibe. Ein gewissermaßen experimenteller Song, der stark aus dem bisherigen Portfolio heraussticht. Mit Sprechgesang und trockenem akustischen Unterbau wirkt er etwas unpassend, aber irgendwie doch recht cool.
Am meisten angetan hat es mir noch „My Own Tune“. Eine sehr an „Tea With Cinnamon“ erinnernde sommerlich-leichte Nummer, die einen unweigerlich zum Lächeln bringt.
Retro Stefson? Die kommen mir zumindest bei den ersten Takten von „Shine Like Neon Rays“  in den Sinn. Dennoch gehört der Song zu den besseren, da hier mal wieder ein wenig frische, Katzenjammer-typische Instrumentierung auffällt.

Der Großteil der Instrumentals besteht inzwischen leider nur noch aus Akustikgitarre, ruhigem Bass und gedämpftem Schlagzeug. Glockenspiel, Ukulele Mandoline oder Akkordeon sind z.B. kaum noch und wenn sehr sanft im Hintergrund zu vernehmen. Es ist nicht mehr viel da vom wilden „auf die Pauke hauen“, wie im mit Zirkus-Charme punktenden Titelsong vom Debüt.

Der letzte Bonus-Titel der „Limited Deluxe Edition“ hat etwas von Selbstironie (ebenso der Albumtitel). Mit „Ouch!“ findet sich hier ein Song als Studio-Version, der bereits seit einigen Jahren fester Bestandtteil der ((immer noch) etwas wilderen) Live-Sets ist. Hier wird noch geklappert, geklackt und mit dem Blues spielend gerockt, wie es mir an Katzenjammer eigentlich am meisten gefällt.

„Rockland“ ist keinesfalls ein schlechtes Album. Es finden sich nette Melodien und Ideen, der Grundcharakter ist noch nicht ganz verschwunden und man versucht sich auf neuen Wegen (leider jedoch eigentlich nur in Richtung Country). Doch das etwas rohe, wilde, ungezügelte der ersten Jahre ist leider nur noch in kleinen Details zu finden.

Neben Auftritten auf zwei der größten deutschen Festivals, Hurricane und Southside, stehen bereits ein paar Konzerte für den Frühling in kleinen Hallen in Deutschland fest:

04. März: Köln – Palladium
05. März: Dresden – Alter Schlachthof
06. März: Berlin – Columbiahalle
07. März: Bielefeld – Ringlokschuppen (ausverkauft!)
09. März: Hamburg – Grosse Freiheit 36 (ausverkauft!)
10. März: Mannheim – Maimarkt Club
20. März: München – Tonhalle (ausverkauft!)
21. März: Wiesbaden – Kulturzentrum Schlachthof

Kritik: Justin Timberlake – The 20/20 Experience

Justin Timberlake - The 20/20 Experience - Cover

Ich persönlich kann die oft negativen Kritiken zum Doppel-Album „The 20/20 Experience“ nicht nachvollziehen. Für mich scheint es so, als sei es gar das Ziel Timberlakes gewesen, mit extrem überlangen Songs (bis zu 9:30!) zu provozieren. Song-Strukturen wurden aufgeweicht. Natürlich gibt es Refrains, Strophen und Bridges, aber durch zahlreiche Pre- und Interludes ergibt sich aus den insgesamt 22 Songs (inkl. Hidden Track) fast schon eine Art Prog-Pop-Album mit einer Gesamtlänge von über 140 Minuten. Manchmal bemerkt man gar nicht, dass man sich bereits im nächsten Titel befindet. Wer hier noch von klassischem R’nb redet, liegt meiner Meinung nach daneben. Natürlich ist der Grundbaustein noch da: Die immernoch großartigen organischen Beats von Timbaland, die Uh’s und Ah’s, die leichte Kopfstimme. Doch „The 20/20 Experience“ bietet so viel mehr. Auf keinem JT-Album gab es so viel, wohlgemerkt gut gemachten, Soul bzw. Funk, wie auf diesem. Im Hidden-Track „Pair Of Wings“ auf „Pt. 2“ wagt er sich gar an lupenreinen Singer-Songwriter-Pop. Gerade dieses übergroße Format in dem das Doppel-Album daherkommt, macht es fast zu einem Meisterwerk der aktuellen Popmusik, weil es ohne Guetta-Synthies auskommt, ohne übertriebene Disco-Nummern, sich nicht anpasst, sondern das Vorgänger-Werk „Futuresex/Lovesounds“, welches zwar mehr Hits hatte, aber auch viel heterogener klang, weiterentwickelt hat.

Man könnte den Produzenten vorwerfen ein langweiliges Werk abgeliefert zu haben, welches sich stellenweise wie ein Kaugummi auseinandergezogen wurde, doch wenn man sich wirklich auf dieses Doppel-Album einlässt, wird man mit über 140 Minuten hochwertiger, gut gemachter Popmusik belohnt.

Besonders empfehlenswert ist „The Complete 20/20 Experience“ auf 4fach-Vinyl in einer dicken goldenen Box zum Preis einer regulären LP. In der Box befinden sich beide Teile, jeweils extra verpackt als Gatefold inklusive mp3-Download-Code. Unbedingt zugreifen und gut gemachte Popmusik genießen!

Zum Beispiel bei Amazon:
The 20/20 Experience – The Complete Experience – Vinyl
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