Physisches Klicken und Wischen

Der offizielle Verkauf des iPod Classic wurde am 9. September 2014 eingestellt.

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Das nach links schieben des „Hold“-Knopfes, mit dem Finger über den Kreis wischend, nach dem richtigen Track für den Moment suchend, auf den Punkt in die Mitte drücken. Das mechanische Klacken beim weiterskippen und Play-Button betätigen.

Der iPod classic ist wohl das beste je für den Musikliebhaber entwickelte portable Abspielgerät. In seiner größten Ausführungen passen tausende Lieder auf die relativ schwere, kleine Festplatte im Alu-Kasten. Hatte der Walkman eine quasi begrenzte Menge an verfügbarem Inhalt, bieten die 160 GB nahezu nie endende Sammlungsmöglichkeiten.

Doch inzwischen gibt es neue Definitonen für „endlos“: Clouds. Jedes Handy kann inzwischen Musik abspielen. Viele mp3-Player fristen inzwischen in Kisten und Schubladen ihr vermutlich nicht einmal mehr eintöniges(!) Rest-Dasein. Heute muss man keine Musik mehr kaufen, um sie zu besitzen.

Doch ist es nicht gerade das reizvolle an den lediglich auf wenige Funktionen beschränkten Geräten? Spotify/Simfy/Wimp etc. bieten einem zwar nahezu jedes Stück an notierten Klängen, aber sollten sie irgendwann wie alles im Internet ihre Halbwertszeit überschritten haben und wieder verschwinden, würde es sein als wenn sich eine Plattensammlung über Nacht auflöst.

Vermutlich wird irgendwann einmal eine neue Innovation diesen Platz im digitalen Plattenladen übernehmen, vielleicht sogar etwas besseres als je da gewesen ist.

Doch ich trauere nicht nur den insgesamt immer weniger verbreiteten physischen Tonträgern hinterher, sondern auch den persönlichen mp3-Bibliotheken.

Für mich ist Musik multimedial.
Ich liebe es eine Vinylscheibe aus dem (ehem.) Expedit zu ziehen, die Schutzfolie abzustreifen, die schwarze oder bunt gesprenkelte Platte aus dem Sleeve zu ziehen, auf den Teller zu legen und die Nadel aufzusetzen.
Schnell eine CD aus der Plastikhülle zu nehmen und in den Player zu schieben und laut aufzudrehen.
Bei Spotify in die neuesten Empfehlungen der Magazine reinzuhören und sie schnell wieder zu vergessen.
Aber auch längst vergessene Tracks im Shuffle-Modus des iPods zu entdecken.

Jedes dieser vermeintlichen Medien bietet nur in Kombination seine wirklichen Vorteile. Würde es keine Platten/CDs geben, wüsste ich die ständige Verfügbarkeit von Musik via Streaming nicht zu schätzen wissen, gäbe es kein Spotfiy, würde ich es nicht so innig lieben die Pappcover und schwarzen Vinylscheiben zu finden und zu fühlen.

Dabei gibt es doch trotz all der Untergangs-Stimmung im Musik-Business wieder Hoffnung. Vinyl wird immer beliebter, auch wenn man nie an alte Zeiten anknüpfen wird. Ich kann nur hoffen, dass irgendetwas auch im Falle der Festplatten-mp3-Player wieder aufblühen wird.

Denn: Überall wird das Internet nie sein…

Jess And The Ancient Ones – Castaneda 10“

 

Nach länger Zeit erscheint vom großartigen finnischen Projekt Jess And The Ancient Ones endlich wieder eine Veröffentlichung. Bei „Castaneda“ handelt es sich um eine 2-Track-10“, die neben dem Titeltrack, den vermutlich exklusiven B-Seiten-Titel „As To Be With Him“ enthält. Zunächst beeindruckt vor allem das wirklich sehr schöne Artwork in Hochglanz-Optik. Es ist sogar ein hochwertiges Textblatt beigelegt. Die Vinylscheibe selbst ist eher orange, als gelb, passt aber gut zum Cover. Diese „gelbe“ Variante ist auf 700 Stück limitiert, zusätzlich gibt es noch klassisches Schwarz (1000 Stück) und „Oxblood Red“ (300 Stück). Die Klangqualität ist befriedigend, aber könnte besser sein. Gleiches gilt für die beiden Songs, die typisch für JATAO im Okkult-Rock-Gewässer schwimmen. Man hört eine klare 60er/70er-Ausrichtung und im Gegensatz zu den bisherigen Veröffentlichungen etwas mehr Psychedelik statt Catchyness.

 

Kritik: Kadavar – Live In Antwerp

kadavar-live-in-antwerp-vinyl-coverIch war voller Vorfreude als bekannt wurde, dass man bereits nun nach knapp zwei Alben und Jahren ein vollwertiges Live-Album veröffentlichen würde. Bei zwei Konzerten hatte mich die Band einfach vollends überzeugt: Starke Songs plus großartige Live-Musiker. Als dann das Cover-Artwork veröffentlicht wurde, freute ich mich schon das Ganze in der schicken Doppel-Vinyl-Variante entgegen zu nehmen.

Ich orderte über den österreichischen Label-Shop von Napalm Records die goldene Version mit einer Limitierung auf 100 Stück (bisher niedrigste). 26,99€ ist schon ein deftiger Preis, auch für eine Doppel-LP, aber von Nuclear Blast ist man ja eigentlich nur Top-Ware gewohnt.

Kurz nach dem Erscheinungstermin trudelte dann die Platte bei mir ein. Schnell ausgepackt und das schicke Gatefold begutachtet. Auf der Folie ein Hype-Sticker mit der Angabe der Limitierung. Die Platten wurden wieder vorbildlich für den Versand nicht in die Cover gepackt, sondern in guten gefütterten Sleeves extra eingelegt. Die goldenen Scheiben in die Hand genommen und ernüchternd festgestellt: Kein 180-Gramm-Vinyl. Schade! Bin zwar niemand der das unbedingt braucht, aber von NB war ich es eigentlich gewohnt und auch der Preis suggerierte mir das. Die goldene Farbe ist dennoch wiedermal sehr schick. Egal! Letzendlich geht es ja um die Musik.

Scheibe auf den Teller gelegt und ab die Post. Kadavar sind in der ganzen Retrowelle eine Band die eine bunte Mischung aus klassischem Hard Rock mit recht starken psychedelischen Einflüssen und frühem 70er-Jahre-Metal mit Doom/Stoner-Schlagseite spielen. Nie zu hart, nie zu seicht und nie zu abgedreht. Auch auf dieser Live-Scheibe bieten sie einen sehr guten Überblick über ihr Repertoire. Den Überhit „Doomsday Machine“ (steht „Paranoid“ in nichts nach, vor allem live!) findet sich direkt an zweiter Stelle, gefolgt vom wunderbar rollenden „Black Sun“. Die straighteren Songs (eher von „Abra Kadavar“ scheinen sich mit den in großartige Jam-Sessions ausladenden, aber immer auf den Punkt kommenden Tracks (finden sich eher auf dem Debüt) ein wenig abzuwechseln, was die Platte echt nah an das echte Live-Erlebnis der Band heranbringt. Auch der rohe Sound tut sein übriges dazu. Leider ist er mir jedoch etwas zu roh. Von Bootleg-Qualität kann man nicht sprechen, aber irgendwie poltert es doch etwas zu viel für meinen Geschmack – Atmosphäre hin oder her. Am Ende ist man sich jedoch bewusst, wie gut die drei Musiker sind. Es ist einfach sehr interessant und abwechslungsreich ihnen und ihrer großen musikalischen Bandbreite live zuzuhören.

Die Live-LP ist trotz einiger Kritikpunkte (hoher Preis, nur Standard-Vinyl, mäßig guter, streitbarer Sound) definitiv eine Investion wert! Hier erlebt man eine großartige Band in ihrem besten Format: Live!